Vielleicht hätte ich ihn nicht so provokant fragen sollen, den stolzen Jägersmann, mit geschwellter nackter Brust, Lederhose, Gamsbart auf seinem Steirerhut, einen knorrigen Bergstock in der Rechten und die Flinte am Rücken. Hätte ihn nicht fragen sollen, ob er denn „auf die Gams gehe?“ Noch dazu er in sichtlicher Begleitung eines Jagdgastes. Auf seine Gegenfrage, von wo wir denn herkämen, antwortete ich: „Vom Himmelreich.“ Das muss er als Angriff auf seine Autorität verstanden haben. „Ihr wisst eh, dass das ein verbotener Weg ist,“ war seine Reaktion darauf.
Sprachlos drehte ich mich um und setzte meinen Abstieg fort. Welches Recht maßen sich die Jäger an, einem den Eintritt ins Himmelreich zu verwehren? Anscheinend fühlen sie sich in manchen Regionen Österreichs wie Götter, als Herren über alles was hier fleucht und kreucht
Damit ist eine Kletterroute in der Nähe der Tauplitz gemeint. Einem Kessel in dem das abfließende Schmelzwasser der Trageln eine imposante Landschaft aus Felsreliefen geformt hat. Einen zu Stein gewordenen Wasserfall aus senkrechten Karren, die in regelmäßigen Abständen von horizontalen Bändern unterbrochen sind. Eine Bergskulptur. Landart, nicht vom Menschen geschaffen, sondern ganz natürlich entstanden. Herbert und R. Nowy waren hier die Ersten gewesen. Ihre Routenerschließung war nicht nur eine alpinistische Zeichensetzung, sondern könnte auch als erstmalige Begehung eines geologischen Kunstwerkes verstanden werden.
Von dort sind wir abgestiegen, Heidi, Hans und ich. Einen für uns glücklichen, fordernden Klettertag in den Beinen und die Sonne im Herzen, die den ganzen Spätsommertag in den Felshohlspiegel gebrannt hatte. (höllisch heiß war es im Himmelreich). Es war einer dieser perfekten Klettertage. Früher wurde so eine Tour als „Genusskletterei“ bezeichnet. Der Genuss ist leider nun, 50 Jahre später, ein wenig eingeschränkt, da sich unsere Wehwehchen bereits im „Default state“ befinden. Der Charakter der Route ist noch großteils „Old School,“ im Sinne von: (relativ) weitem Zu- und Abstieg, mehren Seillängen zu klettern, und durch gelegentliche Sanduhrschlingen „markiert.“ An der Schlüsselstelle blitzen aber, nun doch zeitgemäß, ein paar Bohrhaken. Beim Abstieg über die Schroffen sicherten wir uns, da die altersbedingten Bewegungseinschränkungen auch im leichten Gelände Unsicherheiten hervorriefen. Und dann – langsam – „Los ihr Knie, ein Schritt geht noch,“ Abstieg auf dem Weg zur Hütte. Den ganzen Tag leuchtete der Himmel blau, aber in einer Intensität, dass die grauen Felsen bereits weiß anmuteten.
Fotos: J. Skone, Hans Wohlschlager
Der Tag im Kletterparadies hatte uns himmlisches Vergnügen bereitet. Das konnte uns niemand mehr nehmen, auch wenn er eine Schusswaffe trug.
James G. Skone