Orte oder Objekte mit grafischen Zeichen zu versehen ist ein archaisches menschliches Bedürfnis, nicht nur der Ausdruck der urbanen Graffitiszene. Höhlenmalereien waren die ersten Formen der Darstellung menschlichen „da“- seins, Schriftzeichen haben sich aus unserem Kommunikationsbedürfnis heraus entwickelt und Unternehmen nützen Logos als zur raschen Erkennbarkeit ihrer Produkte. „Urban Writers“, die Graffitisprayer nennen die einfachen, schnell mit einem Filzstift auf eine Wand hingekritzelten, Zeichen „Tags“.
Grafische Routenbeschreibungen von Kletterrouten werden „Topos“ genannt. Wahrscheinlich kommt der Begriff von „Topografie“, also „Geländebeschreibung“. Ein Topo gibt detaillierten Aufschluss über Routenführung, Schwierigkeit und Sicherungsmöglichkeiten.
Mich interessiert jedoch das Topo als grafisches Zeichen, nämlich die Linie, die Spur oder die Kritzelei auf einem Foto oder Zeichnung. Dabei ist ihre Funktion als Orientierungshilfe sekundär. In ihrer nunmehr sozusagen kletterzweckfreien Form wird sie zu einem „Tag“, zu einem spontan hingesetztem Zeichen, das mitteilt „hier“ gewesen zu sein. Jedoch nun ist es die ästhetische Qualität der Linie in Beziehung zum Bild, die zum Tragen kommt. Welcher Dialog entsteht zwischen dem „Tag“ und dem Wandfoto? Welche Geschichte erzählt das Bild?
Die folgenden Darstellungen berufen sich auf die Erschließung letzter weißer Flecken auf unseren Landkarten, nämlich die noch unbestiegenen Felswände. Kreta bietet dafür noch scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten. Hier waren Krista und ich in den letzten Jahren aktiv. Es sind unbekannte Berge und unbenannte Wände, die wir erforschten. Die von uns erstmals begangenen Routen sind die Grundlage für die Tags. Sie sollen keinen Aufschluss über die Routenführung geben. Aber sie erzählen etwas über die Landschaft und unser Tun, ohne jedoch in den Bergen eine Spur zu hinterlassen und ohne Eroberungsanspruch.
Fotos: James und Kristina Skone; Tags mit Adobe Sketch ausgeführt. Copyright: James G. Skone
Ein Gedanke zu “Tags’n’Topos”